Ewig Urlaub?
Bundesarbeitsgericht stellt klar unter welchen Voraussetzungen Urlaubsanspruch und Abgeltungsanspruch verjähren.
Unternehmer müssen neuerdings achtsam sein, damit ihre Arbeitnehmer nicht jahrelang ungewollt Urlaub ansparen. Arbeitnehmer können sich möglicherweise freuen, dass verloren geglaubter doch nicht weg ist.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Resturlaub nicht ohne weiteres verfällt (EuGH Urteile vom 06.11.2018, C-684/16), C-619/16) oder verjährt (EuGH 22.09.2022 – C-120/21).
Das Bundesarbeitsgericht hat im Dezember 2022 und im Januar 2023 konkretisiert, was das für deutsches Arbeitsrecht bedeutet (BAG, Urt. v. 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20).
Wenn Unternehmer nicht bestimmte Dinge berücksichtigen, bedeutet dies für Arbeitnehmer möglicherweise „ewig Urlaub“. So müssen Unternehmer ihre Angestellten rechtzeitig informieren, wieviel Resturlaub noch offen ist, und darauf hinwirken, dass dieser auch genommen wird. Ohne Aufforderung durch den Arbeitgeber tritt weder Verfall noch Verjährung ein. Erst wenn Arbeitnehmer den Urlaub dann aus freien Stücken nicht nehmen, kann dieser verfallen. Diesen Hinweis sollten Arbeitgeber auch gut dokumentieren, damit man später es auch beweisen kann. Am Sichersten in Form eines kurzen Schreibens an den Arbeitnehmer, dessen Kenntnisnahme man sich auch bestätigen lässt. Viele Unternehmen verknüpfen den Hinweis auf Resturlaub auch mit der Dezember- oder Januargehaltsabrechnung.
Am 31.1.2023 hat das BAG in einem von unserer Kanzlei betriebenen Verfahren entschieden, dass dies unter bestimmten Umständen auch für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung gilt, und ein Arbeitnehmer auch, wenn das Arbeitsverhältnis schon gekündigt ist, Geld bekommt (BAG Urteil v. 31.1.2023 – 9 AZR 456/20).
Dem BAG kam es darauf an, wann das Arbeitsverhältnis endete, und wann der Arbeitnehmer Kenntnis haben musste, dass sich Rechtsprechung von EuGH und BAG änderte. Für einen Piloten aus Hannover konnte unsere Kanzlei Urlaubsabgeltung für die Jahre 2010-2014 in Höhe von rund 40.000,- € erstreiten. In der Urteilsverkündung führte der 9. Senat aus, dass die Kündigung eine Zäsur im Arbeitsverhältnis darstelle, und der Arbeitnehmer spätestens ab der Kündigung Kenntnis von möglichen Urlaubsansprüchen habe bzw. sich aktiv darum kümmern müsse. Mit Ablauf des Jahres der Kündigung beginnt die dreijährige Verjährungsfrist. Wenn es um den reinen, nachträglichen Abgeltungsanspruch geht, kommt es auf Verletzung von Hinweispflichten (im Gegensatz zur Urlaubsgewährung in natura) allerdings nicht an. Tarifvertragliche Ausschlussfristen können indes zum Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruches führen (BAG, Urteil vom 31.01.2023, 9 AZR 244/20). Gleichwohl ist Unternehmern zu raten, die regelmäßigen Warn- und Hinweisobliegenheiten in ihre Workflows zu integrieren.
Gerne beraten wir Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu diesem Thema.
Hier geht`s zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/urlaubsabgeltung-verjaehrung/
(Normen: § 7 Abs. 3 BurlG, § 7 Abs. 4 BurlG, § 195 BGB)